Die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer plädiert dafür, Fehlanreize in der Sozialversicherung konsequent zu streichen. Die Witwenrente etwa führe dazu, dass alleinstehende Beitragszahler (auch) für die Rentenansprüche von nicht erwerbstätigen Ehepartnern aufkommen, die selbst nie ins System eingezahlt haben, sagte die Ökonomin dem Spiegel.
Bisher bekommt der oder die Hinterbliebene weiterhin mindestens 55 Prozent der Rente des verstorbenen Partners – plus die selbst erarbeitete Rente.
Beispielrechnung: Bekam der Verstorbene 2000 Euro Rente und seine Partnerin 1000, dann bleiben der Hinterbliebenen 1100 Euro (55 %) vom Partner plus die eigene Rente – macht 2100 Euro. Monika Schnitzer möchte den Anspruch auf einen Teil der Rente des Verstorbenen keineswegs vollständig streichen, sondern stattdessen die Rente splitten: Ansprüche beider Partner werden addiert und anschließend durch zwei geteilt – unabhängig davon, ob beide Partner leben oder nur noch eine(r).
In obiger Beispielrechnung würden also aus 2100 Euro Rente 1500. Hinzu kämen – in beiden Fällen – Kinderzuschläge plus Zahlungen aus Rentenansprüchen, die bereits vor der Ehe erworben wurden.
„Eine solche Regelung“, schreibt Spiegel Online dazu, „würde die Quersubventionierung des Alleinverdienermodells in der Ehe durch alleinstehende Beitrags- und die Steuerzahler beenden.“
„Bestehende (Fehl)anreize besonders für Frauen beseitigen“
Und das Ende der Witwenrente würde den Anreiz, daheim zu bleiben anstatt arbeiten zu gehen zumindest lindern.
Die Wirtschaftsweise hatte jüngst an anderer Stelle auch einen weiteren solchen Anreiz kritisiert: die kostenlose Mitversicherung in der Krankenkasse für nicht erwerbstätige Ehepartner. Hintergrund sind auch hier die Folgen des demografischen Wandels für den Arbeitsmarkt und die Sozialversicherungen. Dieser Wandel gebiete es, bestehende (Fehl)anreize besonders für Frauen zu beseitigen, wenig oder gar nicht zu arbeiten. Weil diese Fehlanreize viel Geld kosten und im Ergebnis ungerecht sind.
Ein dritter solcher Fehlanreiz ist das Ehegattensplitting, auch das gehört meiner Meinung nach unbedingt auf den Prüfstand – auch und gerade im Zusammenhang mit dem Thema Pflege. Rechnerisch könnte deutlich mehr Pflege geleistet werden, wenn hier mehr ArbeitnehmerInnen Vollzeit statt Teilzeit arbeiten würden. Das Problem daran: die wenigsten Teilzeitkräfte wollen das, wie eine Umfrage ergab.
Von Teilzeit auf Vollzeit zu gehen lohnt sich für viele nicht
Und es würde sich für die allermeisten auch gar nicht lohnen. Denn wie eine Studie des Ifo-Instituts für die Bertelsmann Stiftung ergab, bleibt sowohl bei Alleinstehenden als auch bei Alleinerziehenden und bei verheiratete ZweitverdienerInnen von einem Mehrverdienst traurig wenig übrig. Grund dafür ist das Ehegattensplitting.
Besonders demotivierend fallen dabei die Zahlen für verheiratete Zweitverdiener(Innen) aus: Verdient der eine Partner 48.000 Euro im Jahr, und stockt seine Partnerin von einem Mini- zu einem Teilzeitjob auf, arbeitet also doppelt so viel, dann hat sie netto am Ende des Monats sage und schreibe 74 Euro mehr (bei 10 Euro Stundenlohn). Diese Rechnung des Ifo-Instituts stammt aus dem Jahre 2020. Die Zahlen wären heute etwas andere. An dem beschriebenen Trend und an der Tatsache, dass sich Arbeiten – jedenfalls ökonomisch – für diese Gruppe nicht lohnt, würde sich aber nichts ändern. Details habe ich hier vorgerechnet.
Ehegattensplitting führt zu großer Ungerechtigkeit
Hinzu kommt, dass – ähnlich wie bei der Witwenrente und der Mitversicherung – auch das Ehegattensplitting nicht nur Menschen, deren Hände und Hirne dringen gebraucht werden, vom (Mehr)arbeiten abhält, sondern dass es auch soziale Ungerechtigkeit produziert. Weil der Splittingvorteil natürlich umso größer ausfällt, je höher das Einkommen des arbeitenden Partners ist. Und weil sich das Nichtarbeiten des einen Partners natürlich nur Paare leisten können, bei denen der andere gut verdient.