Konkret setzen die CDU-Verantwortlichen auf „bezahlbare Pflegezusatzversicherungen“, also auf mehr Privatvorsorge. Hintergrund dieses Ansatzes ist einerseits die Überzeugung, dass Pflege künftig zwingend zusätzliche Mittel braucht, dass aber diese Mittel auf keinen Fall aus einem kräftig aufgestockten Beitragssatz der gesetzlichen Pflegeversicherung stammen sollten. Zentral ist dabei das Ziel, die Sozialbeiträge auf maximal 40 Prozent (Arbeitgeber und Arbeitnehmeranteil) der Einkommen zu begrenzen.
Zusatzversicherung soll „einen Großteil der Pflegerisiken“ tragen
Mit der „Sozialgarantie 2021“ hatte die Große Koalition im vorletzten Jahr dieses Versprechen abgegeben. Dass eine solche Deckelung gelingt, war allerdings wegen des dramatisch fortschreitenden demografischen Wandels schon damals unrealistisch. Und bereits Anfang 2023 hatte die Summe aus Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung wenig überraschend die 40-Prozent-Latte gerissen.
Damit dieser Satz nicht weiter steigt, will die CDU jetzt die Finanzierung der Pflege zu einem Gutteil von Beiträgen auf Arbeitseinkommen abkoppeln und durch private Vorsorge ergänzen. Konkret soll die gesetzliche „Teilkaskoversicherung“ zwar erhalten, aber durch private Zusatzversicherungen ergänzt werden, die „einen Großteil der Pflegerisiken“ tragen.
Anders als jüngst vom „Expertenrat Pflegefinanzen“ der privaten Krankenversicherer empfohlen sehe die „Fachkommission Soziale Sicherung“ der CDU allerdings keine Pflicht zum Abschluss einer solchen Zusatzversicherung vor, berichtet die FAZ. Stattdessen sollten die Policen aus Sicht der Union schlicht so „attraktiv und für jedermann bezahlbar“ sein, dass ein Zwang nicht erforderlich ist. Und wer rechtzeitig freiwillig vorsorge, solle dafür bei Steuern und Sozialabgaben „einen Vorteil erhalten.“ Wie der konkret aussieht, ließ die Kommission offen.
Schon der „Pflege-Bahr“ hat nicht funktioniert
Darüber hinaus plädiert (auch) die Union dafür, sogenannte versicherungsfremde Leistungen in der Pflege nicht mehr von der Versicherung, sondern aus Steuermitteln zu bezahlen. Wichtigster Punkt sind hier die Kosten jener Rentenansprüche, die Pflegende durch die heimische Betreuung eines Angehörigen erwerben. Diese Forderung gibt es bereits seit Einführung der Pflegeversicherung in den 1990er Jahren, aktuell blockieren Christian Lindner und seine FDP ihre Erfüllung.
Der CDU-Ansatz einer freiwilligen Zusatzversicherung ist vor allem mit Blick auf die traurige Geschichte des „Pflege-Bahrs“ befremdlich. Zwar schlossen einige Hunderttausend Menschen die Anfang 2013 eingeführte staatlich geförderte freiwillige Zusatzversicherung ab, dennoch blieb sie damit weit hinter den Erwartungen zurück. Eine Ursache dafür, dass viel zu wenige Menschen eine solche Versicherung abschließen, ist, dass sich die Wenigsten mit 20 oder 30 Jahren Gedanken darüber machen, ob und inwieweit sie mit 80 hilfebedürftig sein werden. Weiteres Problem ist das „Samariter-Prinzip“ staatlichen Handelns: Wer im Alter kein Geld für Pflegeleistungen hat, den unterstützt das Sozialamt – völlig unabhängig davon, ob er nicht vorsorgen wollte oder nicht vorsorgen konnte. Der Sozialstaat ist in der Rolle eines Samariters, er fragt nicht danach, ob Bedürftige seine Hilfe „verdient“ haben oder nicht. Und die potentiell Hilfebedürftigen wissen das.
„Alles tun, damit mehr Netto vom Brutto bleibt“
Tendenziell ähnelt der Ansatz der Union der Forderung der Arbeitgeber, die Beiträge der gesetzlichen Pflegeversicherung um jeden Preis zu begrenzen. Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände forderte jüngst, der Bundestag müsse „bei der vorgeschlagenen Reform der Pflegeversicherung die Notbremse ziehen. Die Politik sollte in Zeiten enormer Preissteigerungen alles tun, damit mehr Netto vom Brutto bleibt. Das ist in Zeiten hoher Kostenbelastungen und multipler Krisen für die Beitragszahlenden zwingend erforderlich.“
Die Pläne der CDU für die Pflege zeigen vor allem, wie weit die Vorstellungen wichtiger Akteure bei diesem sensiblen Thema auseinanderliegen. Gesundheitsministier Karl Lauterbach (SPD) würde am liebsten eine Pflege-Vollkaskoversicherung einführen, wie er jüngst in „Hart aber fair“ sagte, gestand aber schon im nächsten Satz ein, dass dies in der vorhandenen Koalition wohl nicht durchsetzbar sein wird.
Konsensfähige Lösungen sind nirgendwo in Sicht
Die Position des Ministers deckt sich mit den Vorstellungen mehrerer großer Sozialverbände. CDU und Arbeitgeber dagegen würden aus oben genannten Gründen die gesetzliche Pflegeversicherung in ihrem Leistungsumfang eher begrenzen als ausweiten, stattdessen sollen die Menschen privat und/oder individuell betrieblich vorsorgen. Und dann sind da noch die privaten Kranken- (und Pflege-)Versicherer, die eine solche private Vorsorge verpflichtend machen wollen.
Welche Lösungen sich am Ende aus alldem für die existenziellen Probleme der Pflege und der Pflegeversicherung ergeben werden, ist nicht abzusehen. Das Schlimmste wäre ein weiteres, jahrelanges herumdoktern an dem völlig fehlkonstruierten System.