Fast täglich finde ich irgendwo eine Meldung, die mit nur wenigen Zeilen das ganze Elend unserer Altenpflege deutlich macht. Eine Geschichte, die belegt, dass sich an den Verhältnissen nur dann etwas ändern kann, wenn wir uns von den vorhandenen Mechanismen radikal verabschieden. Es geht um betreutes Wohnen.
Diesmal: Glatten, eine Gemeinde im Schwarzwald.
Wie der Schwarzwälder Bote berichtet, ist dort in der Ortsmitte ein „Seniorenprojekt“ geplant. Ursprünglich sollte hier ein Heim mit 60 Plätzen plus Appartements für betreutes Wohnen entstehen. Doch es gab Widerstand einer Bürgerinitiative, die das Projekt als zu groß und das damit verbundene Verkehrsaufkommen als störend empfand.
Also änderte man die Pläne, konzipierte ein Heim mit nur noch 45 Plätzen.
Betreutes Wohnen interessiert Investoren nicht
Daraufhin drohte der Investor abzuspringen, beziehungsweise, wie es im Schwarzwälder Boten so schön hieß, er äußerte den Wunsch nach „Sicherheit am Standort, was die Zahl von 60 Pflegeplätzen angeht.“
Daraufhin entschied der Gemeinderat, „den Bedenken der Bevölkerung nahezu voll Rechnung zu tragen sowie, um die Investorensicherheit zu befriedigen, 60 Plätze für Altenpflege vorzusehen und das betreute Wohnen aus der Planung herauszunehmen.“ Dadurch habe man weniger Gebäude und weniger Parkplatzprobleme.
Vier Dinge lassen sich aus der Geschichte lernen
Erstens: Welche Wohnform, welches Leben sich alte Menschen selbst wünschen, spielt für Investoren und lokale Politiker keine Rolle.
Zweitens: Altenheime sind lukrativ: Wenn Größe und Lage („Ortsmitte“) stimmen, findet sich immer ein Investor dafür.
Drittens: Heime werden geplant wie Fabriken: Eine gewisse Mindestgröße muss sein, damit der Laden Rationalisierungseffekte nutzen und Geld verdienen kann.
Viertens: Es gibt kaum Zwischenlösungen wie betreutes Wohnen, keinen sanften Übergang von wenig Betreuung zu immer mehr. Weil sich damit nichts verdienen lässt.
Lukrativer ist das große Alles oder Nichts: Entweder zu Hause versorgt, irgendwie, so gut es geht, oder ab auf die letzte Reise – ins Heim.